„Dortmund ist eine internationale, weltoffene und interkulturelle Stadt“ ist auf der Homepage der Stadt Dortmund unter „Internationales“ zu lesen.

Weltoffen…?

Wo fängt diese „Welt“ eigentlich an? Wo hört sie auf?

Für SPD und CDU im Dortmunder Ausschuss für Soziales, Arbeit und Gesundheit ist offenbar ganz klar, wo die Welt aufhört: An den Dortmunder Ortsausgangsschildern.

Ein Rückblick

Bis zum Herbst letzten Jahres war ich überzeugt, es wäre in allen bzw. den meisten oder immerhin vielen Städten üblich, dass Ermäßigungen in städtischen Einrichtungen nur für Menschen gelten, die auch in dieser Stadt gemeldet sind. Schließlich ist das in Dortmund auch so, und insgeheim schließt man ja doch erst einmal von dem, was man kennt, auf alles andere.

Dann sah ich an einer Kasse in Essen aber, dass es dort allgemein Eintrittspreisermäßigungen für Menschen im Sozialleistungsbezug gab. Ich fragte mich, ob ich die Regelung in Dortmund eventuell missverstanden hatte, und fragte einfach einmal nach. Und unsere Sozialdezernentin Frau Zoerner bestätigte mir:

„Das bedeutet, dass in Dortmund nur Inhaber eines Dortmund-Passes Eintrittspreisermäßigungen erhalten können. Auswärtige Bezieher von Sozialleistungen, die über keinen Dortmund-Pass  verfügen, können in den Einrichtungen […] keine Eintrittspreisermäßigungen geltend machen.“

Die Antwort überraschte mich jetzt nicht (ich hatte etwas in der Art befürchtet), gefiel mir aber nicht. Wir Piraten haben uns ja zum Thema Teilhabe bereits im Grundsatzprogramm recht klar positioniert:

Ein Mensch kann nur in Würde leben, wenn für seine Grundbedürfnisse gesorgt und ihm gesellschaftliche Teilhabe in allen Bereichen möglich ist. […] Die Piratenpartei setzt sich daher für Lösungen ein, die eine sichere Existenz und gesellschaftliche Teilhabe individuell und bedingungslos garantieren und dabei auch wirtschaftliche Freiheit erhalten und ermöglichen. […] Die Piratenpartei sieht die existentielle Sicherung, Chancengleichheit und die Möglichkeit zur Teilhabe am gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Leben als wichtig für den Erhalt des sozialen Friedens an.“

Mit Essen als gutem Vorbild vor Augen – dort gab es ja offenbar zumindest in einigen Einrichtungen Ermäßigungen für alle Menschen im Leistungsbezug – schien es mir, dass man das in Dortmund dringend ändern müsste.

Einfach beantragen?

Nach zwei Jahren im Rat hat man irgendwann gelernt, dass es immer für alles Kosten gibt, die man nicht bedacht hat. Ja, das Hallenbad öffnet unabhängig davon, ob viele oder wenig Menschen es besuchen – aber wenn viele Menschen da sind, müssen die Toiletten öfter geputzt werden. Und wenn viele Menschen im Westfalenpark sind, müssen die Papierkörbe öfter geleert werden.

Ich entschied mich also dagegen, direkt einen Antrag zu stellen, dass man die aktuelle Situation ändern müsse, sondern beschloss, erstmal zu beantragen, dass die Verwaltung prüfen solle, ob und wie so etwas umsetzbar sei. Das erschien mir so niederschwellig, dass eine Ablehnung fast ausgeschlossen schien.

Wie es anders geht

Es waren zunächst drei Städte, bei denen ich mir anschaute, ob es dort ähnlich oder ganz anders als bei uns gehandhabt wird:

  • Essen (ähnlich groß wie Dortmund und recht nah)
  • Bochum (nah und nicht gerade für übermäßigen Reichtum bekannt)
  • Duisburg (ganz und gar nicht für übermäßigen Reichtum bekannt)

Das Ergebnis war irgendwie peinlich:
In allen drei Städten gibt es auch einen Pass ähnlich dem DortmundPass, damit die Menschen nicht immer ihren mehrseitigen ALGII-Bescheid an der Kasse ausbreiten müssen, in dem alle ihre wirtschaftlichen Daten stehen. Denn der gilt, um nachzuweisen, dass man Sozialleistungen bezieht.

Genau das ist in all diesen drei Städten nämlich das Ermäßigungskriterium. In einigen Einrichtungen ist bei den Eintrittspreisen angegeben, dass es Ermäßigungen gibt für „Leistungsempfänger“, für „Arbeitslose„, für „Empfänger von Arbeitslosengeld II“ usw. usf.

In einigen Einrichtungen in Bochum, z.B. dem Theater, ist von einem „Vergünstigungsausweis“ die Rede. Auf Nachfrage habe ich vom Theater erfahren, dass dazu natürlich auch ein DortmundPass o.ä. zählt.

Offenbar war es in diesen drei Städten selbstverständlich, dass einfach alle einkommensschwachen Menschen einkommensschwach sind und daher auf diese Ermäßigungen angewiesen sind. Sie bewusst nicht zu gewähren, schließt Menschen aktiv aus.

„Da gibt es nicht zu prüfen.“

Vor diesem Hintergrund sollte man ja fast meinen, der Stadt Dortmund ist da nur ein Fehler unterlaufen. Das kann ja nicht gewollt sein. Und selbst wenn irgendjemand sowas wollen würde: Ja wohl eher nicht die Menschen im Sozialausschuss. Oder…?

Was dann also tatsächlich geschah:
Die Verwaltung war überzeugt, in anderen Städten sei das genauso – ich hatte mir aber morgens noch einmal die genauen Formulierungen in den Preislisten der einzelnen Einrichtungen angesehen und konnte das durchaus widerlegen.
Die Verwaltung erklärte außerdem, man müsse da eigentlich nichts prüfen, das könne der Rat einfach beschließen. Wenn der Sozialausschuss wünsche, dass ein dort ein gemeinsamer Antrag des Fachausschusses eingereicht werden solle, könne man das einfach tun.

Und die Ausschussmitglieder?

Die SPD sah gar keinen Grund so etwas überhaupt zu diskutieren oder gar die Verwaltung mit einem derartigen Unsinn zu belasten. Man empfand allein den Antrag offenbar als Zumutung.

Die CDU war unsicher, ob man dies nicht prüfen solle. Also eigentlich eher nicht, aber vielleicht…

Der Mann vor mir entsprach ganz dem Klischee: Man könne doch jetzt nicht anfangen, die Finanzierung der anderen Kommunen zu übernehmen!

Zumindest die Grünen waren auf unserer Seite…

Will der Ausschuss so einen Antrag?

Nachdem wir das also ausgiebig diskutiert hatten – inklusive der Information, dass eine Prüfung überflüssig sei -, stellte sich also eine ganz einfache Frage:

Wollte der Ausschuss einen entsprechen Antrag an den Rat formulieren?

Ich habe das abstimmen lassen. Wir LINKE & PIRATEN wollten das. Und die Grünen.

Die CDU entschied sich voller christlicher Nächstenliebe dagegen. Vielleicht lebt jenseits der Stadtgrenze ja auch schon der Übernächste, ich kenne mich da nicht so aus.

Die SPD fand die Idee schon aus sozialen Gründen völlig hirnrissig. Was kümmern uns denn Menschen aus anderen Städten?!

Nun ja.

Das Fazit?

Und nun? Wir werden wohl einen Antrag im Rat stellen müssen. Natürlich ist davon auszugehen, dass die anderen Fraktionen dort nicht anders abstimmen werden als im Fachausschuss.

Aber es ist einfach zu unglaublich:

Dortmund, immer darauf bedacht, sich als besonders weltoffen zu zeigen, beschließt hier an der Stadtgrenze einfach das Ende der „Welt“. Denn wer jenseits des Ortseingangsschildes lebt, soll doch bitte nur zu uns kommen und teil haben, wenn auch über ein gewisses Einkommen verfügt wird.

Menschen aus anderen Städten sind ja gerne gesehen – aber bitte nicht, wenn sie arm sind! Wir haben schließlich eigene Arme!

Es ist haarsträubend und peinlich in Anbetracht der Tatsache, dass andere Städte dies schon längst anders umsetzen, aber eine Großstadt wie Dortmund sich da schlicht weigert.

Was auch immer da mit „weltoffen“ gemeint sein mag, ich habe eine andere Definition von diesem Begriff. Da gehört zum Beispiel dazu, dass allen Menschen Teilhabe ermöglicht wird – egal, wie viel Geld sie haben oder gar wo ihr Wohnsitz sich befindet!

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