Post für Ratsmitglieder

Seit ich Mitglied im Rat der Stadt Dortmund bin, bekomme ich nicht nur Mails und Briefpost von der Stadtverwaltung, sondern natürlich auch von einigen Institutionen, Initiativen und Menschen allgemein. Nicht jeder dieser Briefe geht an mich persönlich, manchmal sind diese auch an „Die PIRATEN im Rat“ oder derartiges adressiert.

Oft sind es irgendwelche Rundschreiben oder auch Serienbriefe, die sich auf ein mehr oder weniger aktuelles Thema beziehen. Die gehen dann natürlich nicht nur an mich bzw. uns, sondern auch an alle anderen Fraktionen und/oder Ratsmitglieder. Manchmal geht ein Schreiben auch nur an die Mitglieder eines speziellen Ausschusses, wenn sich eben gerade der mit dem betroffenen Thema auseinandersetzt.

Die meisten Anlässe, die Menschen dazu bringen, uns Menschen im Rathaus zu schreiben, sind dabei in irgendeiner Form zeitlich begrenzt – was nun z.B. mit dem Westbad passieren soll, ist irgendwann im Rat abgestimmt und ein Beschluss gefasst. Andere tauchen immer wieder auf, wenn keine zufriedenstellende Lösung gefunden wurde – das betrifft z.B. die Parksituation um’s Stadion herum, wenn der BVB Heimspiele hat.

Ein Thema gibt es jedoch, das für eine (oder vielleicht auch mehrere) Person(en) in Dortmund von dauerhafter Brisanz ist: Das Fällen von Bäumen.

Baumbriefe – auf Totholz

Beim ersten Mal war ich noch sehr angetan: Eines Tages fand ich in meinem „Körbchen“ im Fraktionsbüro, in dem meine Post für mich gesammelt wird, eine Beileidskarte. Jemand betrauerte anonym, dass ein alter Baum in Dortmund gefällt worden war.

Ehrlich gesagt ist das allerdings ein Thema, mit dem ich bei meiner Ratsarbeit wenig zu tun habe. Meine Ausschüsse berührt es in der Regel nicht, im Rat sind Baumfällungen auch selten Thema. In der Bezirksvertretung in Hörde werde ich informiert, wenn Bäume im Stadtgebiet gefällt werden müssen. Aber hier ging es um keinen Baum auf Hörder Gebiet. Insofern entzog dieser (bereits gefällte) Baum sich meinem Zuständigkeitsbereich.

Gerne hätte ich dem Absender oder der Absenderin dies mitgeteilt, aber der Brief war ja anonym.

Mir wurde dann erklärt, diese Briefe seien auch nichts besonderes. Die bekäme quasi jeder. Ständig.

Was das genau bedeutet, habe ich mittlerweile herausgefunden.
Nicht selten kommen mehrere „Baumbriefe“, wie ich sie inzwischen nenne, pro Woche.

Baumbriefe, innerhalb von knapp 2 Wochen gesammelt.

Immer anonym.
Immer mit den gleichen Handschriften.
Immer per Post.
Immer ausreichend frankiert.
Immer auf Papier – also tote Bäume gedruckt.

Der Baum-Mensch zeigt sich dabei allerdings kreativ:
Mal sind es Beileidskarten, mal ist es nur ein beschriebener Umschlag, mal eine einfache Postkarte. Doch auch seitenlange Aufzählungen von Straßennamen oder ausgedruckte Bilder kommen vor, ebenso zur Postkarte umfunktionierte Karteikarten.

Wer auch immer diese Briefe verfasst, ist also durchaus zumindest teilweise in der Lage moderne Technik zu benutzen. Warum trotzdem ausschließlich der schriftliche Weg – auf Papier – gewählt wird, weiß ich nicht. Mir erscheint das ja irgendwie widersprüchlich…

Langjähriges Phänomen

Darauf, dass ich diese Briefe bekomme, muss ich mir wohl nichts einbilden – denn jede Fraktion und auch viele Ratsmitglieder persönlich bekommen die. Und das schon seit sehr viel mehr Jahren, als ich dort auch mitmischen darf.

Auch ich bekomme diese Briefe nun seit bald drei Jahren. Das können auch schon mal zwanzig Stück in einem Monat sein. Alle auf Papier, alle frankiert. Und die bekommen dann zeitgleich ein paar Dutzend anderer Adressen auch.

Das verbraucht nicht nur eine Menge an Papier (also Totholz), sondern kostet auch eine Menge Zeit, da alle Umschläge und viele Texte per Hand geschrieben sind.
Hinzu kommen auch noch nicht unerheblichen Portokosten. Alleine für mich sind das oft 10€ oder mehr im Monat. Bei alleine zehn Adressaten und Adressatinnen sind das bereits 1.200€ im Jahr (und es bekommen mehr Menschen Baumbriefe).

Fragen über Fragen…

Wie ich bereits erwähnte: Bäume gehören nicht gerade zu meinem Spezialgebieten. Ich kann eine Birke von einem Apfelbaum unterscheiden. Meine Ausschüsse beschäftigen sich auch gar nicht mit Bäumen.

Natürlich ist mit bewusst, dass Bäume wichtig sind. Und ich mag Bäume. Wirklich!

Auch beim Rest meiner Fraktion sind Bäume recht beliebt. Und nicht selten werden wir in diesen Schreiben aufgefordert, eine Position einzunehmen, die wir eh bereits haben (z.B. die Nordseite des Hauptbahnhofes nicht weiter zuzubauen).

Ist es dann nicht überflüssig, uns und speziell mir zu schreiben, und damit sogar Papierverschwendung – also quasi das Fördern von Abholzungen?
Und warum sind diese Briefe überhaupt auf Totholz verfasst?
Wieso sind diese Briefe alle nicht nur anonym, sondern komplett ohne Möglichkeit einer Antwort?

Auf all diese Fragen gibt es nun schon viele Jahre keine Antworten. Ich werde sicherlich auch keine finden. Aber ich glaube, Baumbriefe wird es auch weiterhin und in kommenden Ratsperioden geben.

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.