Viele Jahre wurde diskutiert – und dann ging auf einmal alles ganz schnell. Letzten Freitag war es so weit: Der Bundestag hat die „Ehe für alle“ beschlossen.

Ein Grund zur Freude?
Ganz klar: JA! Aber auch: Nein.

Ich persönlich sehe die Sache ja irgendwie etwas zwiespältig…

Gleichstellung homosexueller Paare

Es ist schon peinlich, dass es so lange gedauert hat, bis homosexuelle und heterosexuelle Paare in dieser Hinsicht gleich gestellt wurden. Es sollte schlicht selbstverständlich sein, dass Liebe und Beziehungen nicht danach bewertet werden, welches Geschlecht die beteiligten Personen haben. Denn auch wenn viele Regelungen wie das Ehegattensplitting schon seit einigen Jahren für eingetragene Lebenspartnerschaften genau wie für Ehen galten, war es ein unerträglicher Zustand, dass der Name der Beziehungsform davon abhing, wer die Beziehung führte!

Von daher ist es selbstverständlich ein Grund zur Freude, dass nun endlich beides gleich heißt. Denn es ist ein Zeichen dafür, dass die Beziehung zwischen zwei Männern oder zwei Frauen oder einem Mann und einer Frau nichts unterscheidet. Ein Zeichen dafür, dass homo- und heterosexuelle Menschen nichts unterscheidet und auch diese Begriffe eigentlich längst über sind.

Jetzt erst?!

Insgeheim denke ich mir da schon: Das hat eindeutig zu lange gedauert. Das erste Land hat 2001 die „Ehe für alle“ beschlossen. Es ist erschreckend, wie viele Jahre vergehen mussten, bis Deutschland nachgezogen ist. Über zwanzig Staaten sind Deutschland da zuvor gekommen.

Natürlich ist das keine Kritik an der „Ehe für alle“. Aber es hinterlässt doch einen schalen Nachgeschmack. Und neben den vielen anderen Entscheidungen, die am selben Tag im Bundestag getroffen wurden, gewinne ich das Gefühl, dieses Thema ist benutzt worden, um von anderen Themen abzulenken und auch mal etwas „schönes“ liefern zu können.

Und das hat dieses Thema nicht verdient. Die Gleichstellung homosexueller Paare ist etwas, wofür viele Menschen gekämpft haben – und nicht wenige einen hohen Preis gezahlt haben. Meiner Meinung nach sollte man dem auch den nötigen Respekt entgegen bringen!

Ehe für – alle???

Vielleicht sehe ich das ja etwas eng, aber:
Der Begriff „Ehe für alle“ ist einfach falsch.

Es können doch noch immer nicht einfach alle heiraten. Bei manchen ist das sicher auch gut und richtig. Dass Kinderehen falsch sind, müssen wir nicht diskutieren. Und wenn jemand seinen Hund heiraten wollen würde, fände ich es auch recht fragwürdig, ob man zuverlässig herausfinden kann, dass dieser Wunsch tatsächlich auf Gegenseitigkeit beruht.

Und auch viele andere Menschen dürfen nicht heiraten. Menschen, die miteinander verwandt sind. Menschen, die schon mit jemandem verheiratet sind. Überhaupt dürfen immer nur zwei Menschen heiraten, nicht mehr.

Doch selbst wenn man es gut und richtig finden mag, dass all diese Menschen nach wie vor nicht heiraten dürfen, ist es falsch, ihre Existenz einfach zu ignorieren. Und das tut man, wenn man so tut, als seien „alle“ homo- oder heterosexuelle, erwachsene, geschäftsfähige, nicht miteinander verwandte Menschen – und zwar immer zwei an der Zahl.

Die Ehe: Ein historisches Konstrukt

Es klingt ja immer etwas seltsam, wenn ich sage, dass ich zweimal verheiratet war, aber die Idee der Ehe schon immer irgendwie dämlich fand. Aber immerhin weiß ich, wovon ich rede.

Die Regeln und Ideen dessen, was eine Ehe ist, auf denen unsere Gesetze beruhen, stammen aus einer Zeit lange vor uns. Aus Ehen gingen Kinder hervor (aus anderen Beziehungen zumindest offiziell eher nicht – da hatte man ja auch gar keinen Sex), die Frau zog die Kinder groß, der Mann sorgte für ein finanzielles Einkommen.

Mit der heutigen Realität hat das oft nichts mehr zu tun. Sex ist nicht mehr, was man nur exklusiv in der Ehe haben darf. Ehepartner verhüten und haben gar keinen Kinderwunsch. Und Kinder leben bei ihren leiblichen Eltern, die keinen Ehewunsch hegen. Andere Kinder leben bei einem geschiedenen Elternteil. Manche Elternteile leben alleine und zahlen Unterhalt für ihre Kinder – oder würden es gerne, wenn sie genug Geld hätten.

Und so bekommt das Paar, das nur eine Wohnung, aber zwei Einkommen hat und gar keine Kinder will, Steuervergünstigungen. Und das ehemalige Paar, das zwei Wohnungen und zwei Kinder mit zwei Einkommen finanzieren muss, halt nicht. Oder auch das Paar, das eine Wohnung und zwei Kinder mit nur einem Einkommen finanzieren muss, bekommt sie nicht – wenn es nicht auf dem Standesamt unterschrieben und laut „ja“ gesagt hat.

Liebe wird nur subventioniert, wenn man sie dem Staat offiziell mitteilt – und ein Zurück ist weitaus aufwendiger und kompliziertet als diese offizielle Mitteilung! Und wie viele Menschen von einem Einkommen finanziert werden müssen, ist dem Staat auch egal.

Meine Begeisterung für die Institution Ehe hält sich daher schwer in Grenzen.
Nun dürfen also mehr Menschen heiraten. Ui, toll.
An den vielen Fehlern dieses Konstrukts ändert das nichts.

Fortschritt? Rückschritt? Oder beides?

Trotzdem glaube ich, dieser Schritt zur „Ehe für alle“, die keine ist, war zwingend nötig.
Und das aus verschiedenen Gründen.

Der eine ist der bereits genannte: Es war höchste Zeit bzw. längst überfällig, homosexuelle Liebe auch offizielle mit heterosexueller Liebe gleich zustellen!

Der andere ist, dass ich glaube, dieser Schritt war nötig, um die Regelungen und Gesetze zur Ehe irgendwann einmal sinnvoll zu ändern. Denn homosexuelle Paare funktionieren wie heterosexuelle – viele heiraten, aber trennen sich wieder. Und einige davon werden Kinder haben. Die Probleme homo- und heterosexueller Paare werden also nicht mehr weiter aus konstruierten Gründen unterschiedlich sein. Und das wird nur noch mehr zeigen, wie wenig kompatibel diese Art der Ehe mit unserer heutigen Zeit ist.

Außerdem war es unabdingbar, dass gleichgeschlechtliche Beziehungen bereits keine Sonderbehandlungen mehr erfahren, wenn es jemals eine Änderung dahingehend ändern soll. Weil dann einfach klar sein muss, dass das zwei paar Schuhe sind und nicht den Heteros irgendwelche Privilegien genommen werden, um sie den Homos anzupassen!

Aber nun, wo endlich klar ist, dass es bei der Ehe um Liebe und Partnerschaft geht, wird es Zeit eine andere Frage anzugehen: Muss man Liebe durch Steuervergünstigungen subventionieren oder ist es sinnvoller, größere Haushalte oder pflegende und unterhaltspflichtige Personen finanziell zu entlasten, so dass sie eine Chance haben, den finanziellen Aufwand tragen zu können?

Aber das ist wohl eine andere Geschichte, und die soll ein andermal beraten werden…

 

 

 

 

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