Es war die Nacht des 10. Junis 1985, als die Rainbow Warrior vor Aukland versenkt wurde. Ich war damals knapp sieben Jahre alt und stand kurz vor der Einschulung. Und im Nachhinein betrachtet war das wohl der Tag an dem ich politisiert wurde…

Als die Rainbow Warrior am 29.04.1878 als neues Flagschiff der Greenpeace-Flotte in See stach, war ich gewissermaßen noch ungefähr -4 Monate alt und schwamm vermutlich ziemlich friedlich im Bauch meiner Mutter herum. Ich erinnere mich natürlich nicht. Und ich erinnere mich auch nicht, wie, wann und warum ich das erste Mal von diesem Schiff gehört habe.

Irgendwie war die Rainbow Warrior halt ganz selbstverständlich da und ziemlich toll – ähnlich wie eine Oma, mit deren Kleidung man immer Verkleiden spielen darf.

Wie alle anderen Kinder in dem Alter war ich in Tiere völlig vernarrt, ganz egal, wie viele Gliedmaßen sie hatten und ob sie überhaupt Gliedmaßen hatten.

Hinzu kam, dass meine Mama mir beigebracht hatte, dass es wichtig und notwendig sei, auf Schwächere Rücksicht zu nehmen – meine Beine waren viel kürzer als ihre, ich konnte also gar nicht so schnell gehen wie sie, daher war es sinnvoller, wenn sie ihre Geschwindigkeit meiner anpasste, als darauf zu bestehen, dass ich mit ihr Schritt hielt.
Tiere waren aus meiner Sicht immer schon die Schwächeren – wir sperrten sie in Käfige, aßen sie, ritten sie… – und hatten daher besonderen Schutz verdient.

Und ein Schiff, dessen Besatzung es sich zur Aufgabe gemacht hatte, Walfänger von ihrer Tätigkeit abzuhalten, hatte sich dadurch natürlich automatisch meinen tiefsten Respekt verdient!

Außerdem fand ich den Namen toll – auf Englisch klang er für mein Empfinden wunderschön. Und auf Deutsch ließ er mich immer an Regina Regenbogen und ihre Sternwichtel denken.

Die Rainbow Warrior war also so etwas wie Batman – nur noch viel cooler, weil sie echt war!

Und als die Bomben an Bord der Rainbow Warrior dann 1985 detonierten, hatte ich zumindest genügend Begeisterung für dieses Schiff gezeigt, dass meine Mutter mir von dem Vorfall erzählte. Ich war erschüttert und empört, nicht nur weil jemand gestorben war, sondern einfach aus Prinzip! Die Rainbow Warrior gehörte doch zu den Guten – es konnte doch gar nicht sein, dass jemand von diesem Projekt weniger begeistert war als ich!

Es war ganz klar für mich, dass das irgendwelche bösen Menschen gewesen waren und nun die Polizei auf der ganzen Welt daran arbeiten würde, diese zu finden, damit sie „ihre gerechte Strafe“ (was auch immer das sein sollte) bekamen!

Dass dies überhaupt passiert war, machte mir eines klar: Wenn man so gegen doch eigentlich harmlose Umwelt- und Tierschützer*innen, die „das Richtige“ taten, vorging, war das, was diese taten, ganz offensichtlich dringend notwendig.
Mir war nicht bewusst gewesen, dass es Menschen geben könnte, die der Umwelt wirklich bewusst und bereitwillig schadeten. Bis zu diesem Moment war ich davon ausgegangen, all das Baumsterben, die Massentierhaltung usw. sei nur ein Missverständnis, ein Versehen. Aber wenn mit solchen Mitteln gegen ein Schiff wie die Rainbow Warrior vorgegangen wurde, lag ich da vielleicht falsch?

Als im September dann klar wurde, dass die französiche Regierung für die Versenkung verantwortlich gewesen war, brachte das mein bisheriges Weltbild irgendwie durcheinander.

Ich hatte in dem Alter ein recht einfaches Verständnis von Staaten:
Da gab es die Leute – so wie mich, meine Mama, meinen Papa, unsere Nachbarn.
Außerdem Politiker – das waren die aus der Tagesschau und auf den Bildern in der Zeitung. Die kümmerten sich um alles und entschieden irgendwelche langweiligen, aber wichtigen Dinge.
Und zuletzt die Polizei – die sorgten dafür, dass sich alle an die Regeln hielten und sowas. Dabei waren die Politiker aber irgendwie ihre Chefs.

Das Militär war sowas wie die Polizei für’s Ausland – auch wenn ich nicht genau verstand, wozu die gut war, weil andere Länder ja eigene Polizisten hatten.

Dass französiche Soldaten also für die Sprengung verantwortlich waren, war für mich sehr verwirrend.
Hätten die nicht auch zu den Guten gehören müssen? Hätten sie die Rainbow Warrior nicht eigentlich eher unterstützen müssen? Und wieso machen die eigentlich nicht den Job der Rainbow Warrior? Hätten die Politiker der Polizei nicht eigentlich sagen müssen, dass sie den Leuten, die Walen fingen oder Atomtests machten, mitteilen müssen, dass die damit aufhören müssen und das nicht dürfen?

Und wenn sie das nicht taten, sondern ganz im Gegenteil sogar gegen die realen Batmans kämpften, was bedeutete das dann?!

Heute ist es 33 Jahre her, dass die erste Rainbow Warrior gesunken ist.

Ich habe heute ein anderes Verständnis von Staaten, aber noch immer kein Verständnis dafür, dass es Schiffe wie die Rainbow Warrior geben muss. Oder die Schiffe von Sea-Watch. Es trifft mich noch immer, wenn auf Schwächere keine Rücksicht genommen wird, das Leben jedes einzelnen Wesens nicht wertgeschätzt wird.

Seit 2011 ist die Rainbow Warrior III auf den Weltmeeren unterwegs.Und ich bin froh und dankbar, dass es noch immer reale Bat(wo)men gibt!

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.